Peter Sloterdijk erklärt

  • die USA zum Schurkenstaat
  • das Denken zur "geistigen Funktion der Nation"
  • Gerhard Schröder zum europäischen Führer
  • die deutsche Presse der Selbstgleichschaltung fähig
  • die Medien durch eine kollektive Verdächtigungsrhetorik nach dem Muster dekonstruktivistischer Psychoanalyse gelähmt
  • von ihm abweichende Ansichten zur parlamentarischen Zensur und erst recht Klartextzensur
  • Kritiker, die Martin Walsers "Tod eines Kritikers" Antisemitismus wahrnehmen, zu Entlarvungsfeuilletonisten
  • die öffentliche Diskussion in Deutschland für fundamental gestört
  • sowieso wie immer die Welt,

und am Ende seines Luftbebens in der Frankfurter Rundschau sagt er uns dann noch, dass die Juden, die Amis und die Weiber unfairerweise die einzigen sind, die im Westen noch frei den Mund aufmachen dürfen:

Da aber der Mensch ein meinendes Tier ist, wird auch hierzulande das Meinungsleben irgendwie weitergehen. Schon sind unzählige in die Meinungslosigkeit ausgewichen - und entwickeln Hintergedanken über jene, die in den meinenden Berufen tätig sind. Für die geschichtlich Interessierten wird man demnächst im Nachtprogramm Filme von westlichen Menschen zeigen, die sorglos wie Verbrecher sagten, was sie über Frauen, Amerikaner und Juden dachten. Die sorglosesten unter diesen westlichen Menschen von einst, wird man erstaunt bemerken, werden Juden, Amerikaner und Frauen gewesen sein, wir werden Heimweh nach ihnen haben und wünschen, wir hätten in ihrer Zeit gelebt.






Dijkgraf - Eine Überschwemmung

Das mit der Selbstgleichschaltung stimmt, aber nur oberflächlich betrachtet. Selbst dann nur in einigen wenigen Momenten (Jugoslawienkrieg) und auch nur im breitesten Mainstream. Ich würde das allerdings eher so sehen, dass man stillschweigend bestimmte Problemkomplexe gemeinsam ignoriert, aber dafür am anderen Ende Dissens zelebriert.

In Walsers Roman stecken etliche antisemitische Topoi und ausserdem ein paar Kilo Hass. Es dürfte auch Herrn Sloterdijk sehr schwer fallen, dies zu ignorieren. Der "Diskurs" darüber war in der Tat in weitesten Teilen vollkommen hysterisch, woran Schirrmacher und die "Informationspolitik" des Suhrkamp-Verlags schuld sind.

Es ist sehr wohl möglich, sich differenziert zu den Themenkomplexen Antisemitismus und israelische Politik zu äussern. Dies sollte aber mit einer der Thematik angemessenen Ernsthaftigkeit geschehen und sich auf gründliche Recherche stützen.

Man könnte, mit Niklas Luhmann, auch die wohlbegründete Meinung vertreten, dass, speziell in demokratischen Gesellschaften, der öffentliche Diskurs gerade die Funktion hat, zu irritieren.


Mir hättest das nicht erklären müssen, aber dennoch danke ;-) (hey, mein erstes Emoticon in 2 Jahren LSB). Ich für meinen Teil halte diese regelmäßig wiederkehrenden Sloterdijk-Suadas ja nicht für etwas, mit dem man sich argumentativ befassen könnte, eher für einen recht verlässlichen Seismographen von herumschwirrenden Ressentiments. Ich bin aber nicht Deiner Auffassung, es hätte im Jugoslawien-Krieg Selbstgleichschaltung gegeben (außer Dein "und" - Momente und Mainstream - meint: zwei Bedingungen, die beide erfüllt sein müssen). Augstein hat zum Beispiel im "Spiegel" sehr entschieden gegen den Jugoslawien-Einsatz kommentiert. - Sage ich, obwohl ich diesen Krieg und seine Propagandisten wie Scharping, Angelika Beer, Joschka Fischer und die Reißmüllers und diesen TAZ-Korrespondenten, dessen Namen mir gerade nicht einfällt, immer ganz ausgesprochen unerträglich gefunden habe. Der Trick von Sloterdijk (und den Walsers, Pim Fortuyns, Haiders usw.) besteht immer darin, Konsens für (Selbst-)Gleichschaltung, also etwas Gewalttätiges zu erklären. Und nicht wenige Linksliberale & Linke begehen denselben Fehler. Statt sich darum zu bemühen, an anderen Konsensen (? Konsensussen? Konsensi?) zu arbeiten.


Das mit den Momenten und dem Mainstream meinte ich schon im Boole'schen Sinne. Also dieser stillschweigende Konsens, dass Aktionen der Serben immer böse sind und dass es gut ist, dort einzugreifen, weil die Situation der Leute unerträglich ist.

Sloterdijk fühlt sich wahrscheinlich mit Walser als unverstandener Intellektueller, der nur mal etwas provozieren wollte ("Menschenpark") und die Reaktion darauf dann wohl so wahrnahm, dass der Medien-Mob, also der "Konsens" mit unverhältnismässier Wucht auf ihn eindrosch. Ich glaube, dass man seine Argumentationskette auf dieses Erlebnis zurückführen kann. In der Tat gibt es solche Momente, in denen jemand zum Abschuss freigegeben wird und dann alle ungestraft auf jemanden eindreschen dürfen, ohne sich weiter erklären zu müssen. Diese Momente jedoch zu generalisieren und auf den gesamtgesellschaftlichen Diskurs auszuweiten, scheint mir unzulässig.

Die "P.C."- und "Myth-Debunker"-Taktiken der neuen und alten Crétins widern mich auch an. Die Linke ist in der Tat schwer fragmentiert, aber das ist Teil ihrer Tradition und nicht unbedingt immer schlecht.


Re: Partei ergreifen.

interessanter finde ich ja , wie mit den texten von ps öffentlich umgegangen wird . und wie aus offenen , auch peinlich fehlgehenden überlegungen ( à la handke strauss stockhausen ) , die ich allemal mehr schätze als begrifflich klötzchenhaftes spiegel-faz-styling , wie also aus solchen literarischen sätzen im laufe der 'berichterstattung' kicher nur noch eine spitting image version des urspr. interviews übrigbleibt .

längeres copy & paste aus der email an einen freund :

hm . die lektüre der drei texte - ps in profil , sz und faz - ist ein gutes beispiel für medial vernichtende zuspitzung .

den profil-text selbst fand ich interessant , ps wie immer anregend , klug diagnostizierend , mutig vergleichend ohne angst vor autoritäten . wie sich das so für einen philosophen gehört . ( die rogue state explikation ist hier nur eine episode )

dann aber sz : hier findet schon eine zuspitzung auf den rogues state vergleich statt - ausgelöst durch eine professionell & gegenwärtig deformierte überaufmerksamkeit nach dem muster 'deutscher-vergleicht-amerikaner-mit' . der rest interessiert kaum , nur als vorlauf - es scheint , als wäre dieser vergleich ps's ungeheuer wichtig & bedeutsam im original-interview gewesen & die parallelisierung mit nordkorea und irak ps's direktes ziel gewesen ( was so aber nur im auge des sz-autoren stattgefunden hat )

schließlich faz : hier wird gar nicht mehr auf ps eingegangen , sondern nur noch mit seiner medialen persona gespielt , mit derzeit durchs mediale kontinuum prozessierenden motiven , formulierungen , brennpunkten , aspekten . darüber wird dann locker improvisiert , rhapsodiert , ein wenig bildungsbürgertum ätzend gegen einen nicht medienkonformen protagonisten der medien angewendet . ein text , der sich natürlich kein stück um die tatsächlichen aussagen ps's schert , sondern vielmehr ihn instrumentalisiert zur produktion einer glosse , die dem autoren zur stolzen präsentation seiner geistreich-pointierten formulierungen dient . ps ist hier nur noch verhandlungsmasse , material im negativsten , passivsten sinne , bloßes opfer , dessen ernsthafte aussage mutwillig und bewusst verkürzt auf reizworte wiedergegeben wird .

ps wird sich nicht grämen , er weiss das alles . doch muss man sich selber wohl als autor fragen , wie man mit den personen umgeht , über die & über deren artefakte ( auch ausgesprochene sätze , vollzogene handlungen ) man schreibt .

so jedenfalls wie in diesen beiden beispielen auf keinen fall . das erscheint mir unmoralisch . ( auch und gerade obwohl es alltägliche praxis der texterstellungsbeauftragten on- und offline ist ; mir auch klar ;-)