Führt das Scheitern des "neoliberalen" Flügels in der FPÖ dazu, dass der Rest der Partei jetzt umstandslos und ohne diese Beruhigungs-Disclaimer rechtsradikal bleibt?

Würde Schüssel mit einer durch und durch Haider-FPÖ koalieren?

Würde Klestil eine solche Koalition akzeptieren?

Ist die Strategie der Rest-FPÖ jetzt eher Vlaamse Blok oder Pim Fortuyn mit Haider in der Rolle von PF?

Geht die SP im bevorstehenden Wahlkampf jetzt wieder mehr nach rechts? Wird das eher eine Gusenbauer-SP oder eine Häupel-SP sein?






Wetten abschließen könnte man

Frage 1: setze auf "ja" Frage 2: setze auf "nein", aber bei Schüssels Machtwillen weiß man nie, wie weit seine Schmerzgrenzen vibrieren. Die Töne, die er zurzeit in diese Richtung anschlägt, sind jedenfalls erstaunlich scharf und klar. Der ist von gestern auf heute von koalitionsberuhigendem Schweiger zu wahlkämpferischem Brutalrhetoriker umgeschwenkt. Frage 3: setze auf "nein". Frage 4: Wo ist der Unterschied? (Ehrliche Frage, keine rhetorische) Ich nehme aber an, dass die mühsam unter Neoliberalismus- und Machtgeilheitsverschluß gehaltenen völkischen Kräfte jetzt erstmal wieder in die öffentliche Luft entweichen (Stadler, Windholz). Ob neben bzw. unter denen in der FPÖ noch was übrig bleibt? Frage 5: Dazu wage ich nicht zu setzen. Ich glaube aber eher, sie gehen in Richtung "links" in dem Sinn, dass die diversen Maßnahmen der FPÖ-ÖVP heftigst angeprangert werden und auf die soziale Karte gesetzt wird. Nur bei der Zuwanderung werden sie sich eher bedeckt halten, weil sie das Potenzial der xenophoben Kleineleutewähler ja nicht ganz der FPÖ überlassen wollen. So viel zum Glauben. Ich hatte übrigens gestern abend darauf gesetzt, dass die ÖVP Neuwahlen vermeiden würde wollen, weil ein Wahlkampf mit EU-Osterweiterung ihr in jedem Fall schlechter zu Gesicht stehen würde als gelegentliches Rumraunzen des FPÖ-Koalitionspartners zu durchgeboxten Regierungsbeschlüssen in der Hinsicht. Mir persönlich macht dieses Thema derzeit die größten Sorgen; beim Rest (Sozialpolitik, Ausländerabhaltungspolitik) kennt man die Pappenheimer weitgehend.


Vlaamse/Fortuyn

Der Unterschied liegt darin, denke ich, dass Vlaamse umstandslos xenophob/völkisch auftritt und Fortuyn sich immer als Modernist präsentiert hat, der das Gemeinwesen vor der Intoleranz der Einwanderer schützen wollte (aber eigentlich nichts gegen ihre Herkunft usw. hat). Läuft beides auf Rassismus hinaus, aber das Marketing ist verschieden.

Stellt denn jemand in A die Osterweiterung der EU tatsächlich in Frage; ich meine so sehr, dass es eine Koalitionsbedingung ist?


Na dann

sehe ich die Zukunft der FPÖ eher im Vlaamse Block. Umbau & Abbau scheinen im Gange zu sein. In der FPÖ gab es immer starke Kräfte, die gegen die Osterweiterung waren: Stichwort Temelin-Volksbegehren. In dem "Ultimatum", das vor einigen Tagen von der Haiderianischen Basis an die Parteiführung gestellt worden war, war ja auch gefordert worden, die Osterweiterung hintanzustellen, wenn Temelin nicht außer Betrieb ginge. Ich glaube daher, die Osterweiterung und deren Verbindung mit Temelin werden in einem FP-Wahlkampf ziemlich groß gefahren werden. Das Ganze auch noch verknüpft mit Arbeitsplatzangstschüren (Stichwort polnische Billigarbeiterhorden, die den aufrechten Ösis die Putzfrauenjobs vor der Nase wegschnappen). Ob damit viele Stimmen zu holen sein werden bzw. das eine Koalitionsbedingung wird, kann ich nicht abschätzen. Deswegen macht es mir auch Sorgen.


ich denke auch, dass dort der unterschied liegt.

der vlaamse block ist völkisch. er sieht die ethnie im vordergrund. diese gilt es zu 'schützen'. da schwingen worte wie blut, boden, reinheit und der ganze mystikkram mit.

pim fortuyn speist sich aus einer anderen quelle. er ist kein ethnozentrist und kein mystiker. es gibt bei ihm kein 'niederländertum'. er kommt aus einer eher [scheisse, mir fällt kein wort ein] kulturzentristischen ecke. eine idee davon haben wir in deutschland in der 'leitkulturdebatte' bekommen. bei ihm geht es nicht darum, holländer zu sein, sondern sich wie einer zu benehmen, einer zu werden. das ziel ist nicht ethnische reinheit, sondern assimilation. interessanterweise in diesem punkt dem französischen konzept eines citoyen nicht unähnlich.

man darf aber ruhig beide gleich wenig mögen.


Warum eigentlich

ist der rassistische Diskurs in Österreich, meiner oberflächlichen Kenntnis nach, viel stärker an der EU-Ausdehnung aufgehängt als in D? Traditionelle Tschuschenphobie? Geographie? Andere Vorschläge? Und ich find's immer fast ein bisschen amüsant, wenn die A-Rechten dieses lächerliche Temelin als Preis für ihre Zustimmung zu verlangen vorgeben. Dass das überhaupt ernstgenommen wird. Verglichen mit Stade oder Krümmel müsste das ein Tipp-Topp-Brenner sein, vermute ich.


Ist er das?

Weiß ich nicht so recht, ob er das tatsächlich ist. Mir scheint es eher so zu sein, dass dieses "und dann kommen sie und nehmen uns die Arbeit (& Frauen & Kinder & Schnitzel) weg" wahllos auf welche "sie" auch immer angewandt wird, die sich im näheren geographischen Umkreis gruppenweise in Bewegung befinden. Da wird nicht viel differenziert, glaube ich. Seit den Achtzigern sind halt Osteuropäer eine solche "sie"-Gruppe, und als dann die EU-Erweiterung Thema wurde, hat sich die Wegnehmparanoia eben des Erweiterungsdiskurses bemächtigt. Ofrt do ähnlich.


So genau weiß ich das auch nicht, ich bin schon zu lange weg. Ein paar Vermutungen habe ich aber:

  • Die EU-Erweiterung ist für die FPÖ immer ein probates Mittel gewesen, sich die ÖVP noch gefügiger zu machen, als sie ohnehin schon war. Wenn Österreich als EU-Mitglied ein Vetorecht hat und wenn die FPÖ in der Regierung sitzt, bietet es sich eben an, in dieser Frage Bedingungen an den Koalitionspartner zu stellen, um die eigene Position zu stärken.

  • Jedes Terrain, auf dem die FPÖ ihrer Anhängerschaft demonstrieren kann, dass sie trotz "neoliberaler" Minister eben die gute alte FPÖ geblieben ist, wird beackert.

  • Der Konsens darüber, dass das Gerede über Benes-Dekrete, die Avnoj-Gesetze (Slowenien), die Invasion billiger Arbeitskräfte und dgl. mit Rassismus zu tun hat, ist - in den Massenmedien - geringer ausgeprägt als in D.

  • Dazu noch die traditionelle Tschuschenphobie, die Du ja schon erwähnt hast. Wer einmal Aufmärsche des Kärntner Heimatbundes erlebt hat (Erinnerung an den heldenhaften Abwehrkampf der Deutschkärntner gegen die Tito-Partisanen, nieder mit den zweisprachigen Schulen usw.), der hat eine leise Ahnung davon, wie wenig viel zu viele Österreicher der Vorstellung abgewinnen können, dass der Jugo und der Böhm ihre Zimmer im gemeinsamen Haus Europa kriegen sollen, in das der Österreicher doch selber erst neulich eingezogen ist.

Andererseits habe ich aber auch den Eindruck, dass auch der Antirassismus in Ö stärker ist als in D. Die Positionen sind polarisierter, kommt mir vor, aus der Ferne und aus Erzählungen.


Also Gegraphie?

In D wird viel stärker mit dem Bild der ungebildeten, nicht deutschsprechenwollenden, leitkulturunterwerfungsrenitenten und jetzt auch noch latent bombenbastelnden Muslime gearbeitet, meine ich. Mit der Angst, demnächst vom Slawensturm überrollt zu werden, lässt sich woanders als in unmittelbarer Grenznähe kaum erfolgreich demagogisieren. Funktioniert in A mglw. wegen anderer Lage der wirtschaftlichen Zentren besser.

P.S.: Dies geschrieben nach katatoniks, vor Praschls Antwort.


Naja

Ob es so schlecht ist, dass Benes-Dekretberedung nicht sofort mit Rassismus verknüpft wird? Mir selbst geht die Rassismus-Verknüpfung ehrlich gesagt in vielen Diskursbereichen zu weit und undifferenziert, aber das ist jetzt ein anderes Thema. Was die Tschuschenphobie angeht, müßte man glaube ich jetzt stark regional unterscheiden. Kärnten ist ein historischer Sonderfall mit einer eigenen Geschichte (Volksabstimmung, Abwehrkampf, Zweisprachigkeit). Da geht's (a) gegen die Slowenen und (b) gegen die Wiener, und letzteres - die massive antiwienerische Haltung in Kärnten - sollte man bei diesen Haideriaden nie vergessen. Die mobilisieren übrigens alle Parteien in Kärnten sehr gern, die Anti-Wien-Haltung.

Niederösterreich und Burgenland sind historisch anders gelagert; ich meine, das Burgenland ist schon dermaßen eng ökonomisch mit den angrenzenden ungarischen Gebieten verflochten, dass da weniger Phobie umgeistert. Die sind ökonomisch so schwach, dass der Grenzhandel mit Ungarn sowieso nur Vorteile bringen kann. Ähnlich, so vermute ich, auch die beiden nördlichen Viertel Niederösterreichs, die an Tschechien und die Slowakei grenzen, sowie die relevanten Teile Oberösterreichs. Nicht, dass dort alles eitel Wonne und Knödel wäre, aber die Atmosphäre ist weit weniger giftig als in Kärnten. Unter Umständen könnte die Temelin-Beackerung der FPÖ auch damit zusammenhängen, dass man mit Temelin Leute in Ober- und Niederösterreich (in den Grenzgebieten) auf einen Anti-EU-Erweiterungskurs einschwören könnte, die man sonst nicht gekriegt hätte. Das ist jetzt aber pure Spekulation. Den Vorarlbergern ist das alles wahrscheinlich ziemlich wurscht. Tirol und Salzburg wohl auch. Steiermark - weißnich.

  • ah ja, da war herr mv dazwischen.

danke für die korrekturen & ergänzungen.

stimmt natürlich alles, man muss diese regionalismen immer beachten. ich denke auch, dass temelin ein versuch der fpö war, sich in oö eine größere anhängerschaft zu verschaffen. hat jedenfalls meine verwandtschaft so wahrgenommen.


Es ist nie falsch,

die Leute vor Ort zu fragen. Nach differenzierter Aufgliederung durch katatonik (Respekt, alle Neune!) bleiben dann nur das Sorgenkind Kärnten und mglw. einige andemagogisierte Grenzregionen. Beruhigend. Und das andere Thema kann für jetzt ein anderes bleiben.


he

ich hatte wien gar nicht gesondert bedacht! welch lapsus! "andemagogisierte Grenzregionen" kommt übrigens sofort in mein persönliches vokabular-kompetenzteam.


Wien

kann natürlich nie genug bedacht werden, aber bei soviel Anti-Wien habe ich mich es mitzuzählen getraut. Ist Ihr persönliches Vokabular-Kompetenzteam auch dreifarbig?


Naja

es ging hier ja nur um Anti-EU-Erweiterungs-Mobilisierungspotenziale und Gründe für deren Ausmaß. Die würde ich in Wien in den Bezirken 1., 4., 6.-9. niedriger ansetzen als im Rest. Der Rest deckt sich ziemlich mit meinem persönlichen Xenophobie-Stadtplan, wobei man dann noch zwischen typischer Oberschicht-Schnucki-Xenophobie (tendenziell Bezirke 13., 18. und 19.) und Unter-/Mittelschicht-Tumbtrottel-Xenophobie (Rest) unterscheiden könnte Ich bin ja selten in Transdanubien (Bezirke 21.-22.), aber als ich da vor ein paar Monaten im größten Kagraner Einkaufszentrum war ("Donauzentrum"), war ich schon überrascht, wie viel Verkäuferinnen tschechischen Akzent haben. Dort gibt es wohl mehr Ost-Gastarbeiter als westlich der Donau, schon verkehrsanbindungstechnisch erklärbar, was aber an sich nix über Anti-EU-Erweiterungspotenziale sagt. Das ist überhaupt ein ganz eigenes Gebiet, die Donaustadt da drüben. Fahrtenschwimmerabzeichen bitte an die übliche Adresse schicken. (Und wie war das noch mit Kaffee kochen?) Mein persönliches Vokabular-Kompetenzteam ist nur blaßgrau, was bei mir für "schön" steht. Ich bin ja ein überaus positiv denkender Mensch.


Kaffee, positiv

Am liebsten würde ich Ihnen täglich den Kaffee kochen. Das würde nämlich bedeuten, dass Sie anwesend wären.