Eine Wahl, die eine wäre, setzte voraus, dass man eine Wahl hätte. Man hat sie nicht. Man wählt entweder eine Regierung, die Jugoslawien bombardiert hat oder eine Regierung, die Jugoslawien bombardiert hätte. Auch falls man nicht wählt oder ungültig wählt (das sind die beiden Möglichkeiten, die mir in den Sinn kämen, wenn ich in Deutschland wählen dürfte), endet die Wahl mit der Angelobung einer Regierung, die: siehe oben. Was sagt man in Fällen wie diesem? So fucking what.






Dito in Amiland

oder glaubt jemand, Al Gore hätte nach 9/11 anders reagiert und nicht die Gelegenheit begrüsst, endlich das viele Kriegsspielzeug auch ausprobieren zu dürfen? Ich bezweifle sogar, dass seine Ansprachen mehr Tiefgang gehabt hätten...


Er hätte aber vielleicht umweltfreundlichen, biologisch abbaubaren Sprengstoff verwendet.

Ne, Dubya ist schon härter, dümmer und brutaler als Gore. Vielleicht wäre Gore sogar besser für Amerika gewesen, weil der einen Tick weniger arrogant agiert und damit die Verbündeten besser zum Mitbomben gebracht hätte. Ich wage sogar zu behaupten, dass Schröder sich wesentlich schwerer in Opposition zu Gore hätte bringen können.


Jugoslawien hin oder her,

ich kannte seit dem Erwachen meines politischen Bewusstseins nur Kanzler Kohl. Man kann über das Umfallen der Grünen und auch großer Teile der Sozen denken, wie man will, aber ich möchte nicht nach 4 Jahren Pause den nächsten vor die Nase gesetzt bekommen, der in allen Punkten, die mir wichtig sind, weiter macht wie bisher. "Homo-Ehe", Zuwanderungsgesetz, Atom-Ausstieg, Öko-Steuer: egal wie sehr sich die ursprünglichen Konzepte im Prozess der Gestzgebung verändert haben, ich finde diese Dinge wichtig. Und mit Stoiber/Beckstein/Merz/Koch/Meyer hätte es das nicht gegeben. Da ich nicht will, dass diese Uhren zurückgedrehrt werden, habe ich durchaus eine Wahl.


Seh' ich ähnlich. Ich will die nicht schon wieder an der Macht haben. Roland Koch soll noch ein paar Jahre warten müssen, bis er endlich Kanzler ist. Lohnfortzahlung im Krankheitsfall... Die Möglichkeit, gewalttätige Ehemänner auszusperren... Das war nicht schlecht. Und man vergisst ja so leicht. Angesichts dessen, was mit einer Union/FDP-Regierung zu erwarten wäre, ist Rot/Grün besser.


Wir schreiben jetzt hundertmal, bis wir es wirklich begriffen haben: Es gibt keinen Atom-Ausstieg. Und wie man so locker wurschtig hier einfach "Jugoslawien hin oder her" hintexten kann, wird mir ewig ein Rätsel bleiben. Szene! Laß dich nicht so billig verarschen!


Ich bin Machiavellist. Meine Chancen, eine Regierung zu verhindern, die keine Auslandseinsätze der Bundeswehr starten würde, sind gleich Null. Das heisst, auch wenn ich nichts tue, wird eine solche Regierung gewählt werden. Die Option, einen Kanzler der CSU zu verhindern, ist dagegen realistisch und ich werde sie wahrnehmen.

Die andere Frage ist natürlich, ob man mit einem CSU-Kanzler nicht doch glücklicher ist, weil der ein besseres Feindbild abgibt.


Trotz Jugoslavien, denn ...

Man kriegt nie all das was man will. Deswegen muß man eben zynisch (oder eben machiavellistisch) denken, feststellen, wen man garantiert nicht in der Regierung haben will, wie am besten der Bundestag zusammengesetzt wäre (denn es ist ja schließlich immer noch eine Bundestags- und keine Kanzlerwahl), mit wem man sich trotz allem noch am ehesten anfreunden kann und wählt strategisch. Wahrscheinlichkeiten eben.

Man kriegt nie all das, was man will. Höchstens kleine Schritte in die richtige Richtung. Denen aber durchaus auch kleine Schritte folgen können, eventuell auch Rückschritte, dann wieder eventuell Schritte in die richtige Richtung, etc. Aber es sind Schritte. Wie man, wenn man nicht sofort alles auf dem Silbertablett serviert kriegt, sich stattdessen jeglicher Mitwirkungsfähigkeit berauben kann, und sei es nur die mickrige Stimme, ist mir schleierhaft. Irrational.


Zynismus hin oder her,

@ MH: Schreib bitte hundert Mal: "Ich lebe in einer Parlamentarischen Demokratie, die auf dem Konsens-Prinzip beruht." Dass die Grünen die damit zwangsläufig verbundene Entwicklung durchmachen würden, war denen, die es wissen wollten, schon Mitte der Achziger klar. Wem solche Tendenzen nicht passen (und ich behaupte nicht, dass sie mir gefallen), der möge was dagegen tun. Das ist halt unbequem, ich weiß. Was das "lockere" und "wurschtige" Schreiben über Jugoslawien angeht: Dass deutsche Politik (und noch dazu eine "linke" Regierung) hier komplett versagt hat, ist schlimm. Das darf aber kein Grund sein, von jetzt an in Betroffenheit und Enttäuschung zu verharren. Davon wird nämlich nichts besser.


... der möge was dagegen tun ...

hört sich in meinen Ohren schon lange an wie "dann geh doch nach drüben". Ganz abgesehen davon, dass ich mir unter "etwas dagegen tun" doch etwas anderes als yep vorstelle, der sich darunter vorstellt, Jugoslawien hin oder her, doch wieder die Grünen zu wählen. Na toll. Ich würde übrigens nie und nimmer behaupten, dass im Falle des Jugoslawien-Kriegs die deutsche Politik versagt hat. Es ist das Problem, dass es deutsche Politik gewesen ist, und zwar eine immens erfolgreiche: Der Balkan ist jetzt wieder Protektorat. Wie 1942. Diesem Konsens will sich der eine oder andere eben nicht anschließen.


Machiavelli et al.

Es sind halt Machiavellisten. Das sind Leute, die lieber die Hand wählen, die sie schon einmal geschlagen hat, statt einer anderen, von der das denkbar ist. Weil gar nicht zu wählen auch bedeuten würde, geschlagen zu werden, sagen sie lieber ja zum Schlagen: das fühlt sich souveräner, um nicht zu sagen machiavellistischer an. Bürgerliche, die sich für Fürsten halten, nachdem sie einmal eine Reader's Digest-Zusammenfassung von "Il principe" gelesen haben und Blitzgneisser, die die parlamentarische Demokratie mit dem Konsensprinzip verwechseln: Dieses Land hat schon die Regierung, die es verdient. Was dagegen machen? Verbraucht einen guten Teil meiner Zeit. Ach.


Machia, well, I...

...rest my case. Also, ich habe den "Fürsten" schon ganz gelesen. Darauf lege ich Wert. Zum Rest schweige ich, da ich zum Thema schon alles gesagt habe.


Das wußte ich, Günter. Mir kam's auf die Trittbrettfahrer an.


Ja

Dacht' ich mir schon. Ich ringe auch schwer mit den Pros und Contras. Peter Praschl und Du habt schon recht, wenn ihr sagt, dass man Leuten, die andere Menschen bombardieren, generell keine Stimme geben sollte. Auf alle Fälle seid ihr da moralisch wesentlich stringenter und konsequenter als ich selbst.