Ich habe nicht allzuviele dieser Sondersendungen über die große Flut gesehen, aber einige doch, und gestern ist mir dann endlich aufgefallen, was ich in den vergangenen 14 Tagen unter all den Abgesoffenen, Nichtversicherten und Panzer fordernden Bürgermeistern nie, kein einziges Mal gesehen habe: Immigranten. Als wären dort, wo das Wasser war, keine gewesen. Oder als wären sie mit weggespült worden, vom Wasser und vom großen neuen Wir.
hab da neulich, weiß nich wo, einen bericht gesehen, wo asylbewerber ganz ganz fleißig am helfen waren und gesagt haben: deutschland hat uns soviel gegeben, jetzt wollen wir auch zurückgeben.
selbst gesehen
in Grimma, beim Herrenausstatter, den wir beräumt haben, waren drei wie wild am Wühlen mit dabei, so mit Schubkarre voll mit Schlamm in Container reinheben zum Auskippen und so. Presseleute waren zwar auch da, hatten wohl aber an solchen Bildern kein Interesse. Versteh sowieso nicht, wie die ihre Sujets aussuchen.
kann ich bestätigen
Im ORF dasselbe, aber auch die Tageszeitungen, Nachrichtenmagazine und deren Internetausgaben erwähnen die Einwanderer mit keinem Wort/Bild.
nicht ganz richtig
als sie da im kamptal rummarschiert sind & hausbesitzer interviewt haben, waren auch familien mit eindeutig fremdländischer sprachfärbung dabei. ("thema" war das, glaube ich. kann aber auch was andres gewesen sein.)
ich denke, es muss normal werden, einwanderer nicht zu erwähnen, wenn das thema nicht einwanderung betrifft. wenn die einwohner von grimma oder passau oder sonst einem ort an ihrem deich schuften, dann sind es eben die einwohner. aber soweit ist man wohl noch nicht.
ich befürchte, 'einwanderer schuften am deich'-filme sind nur die umkehrung der herkömmlichen vorurteile. ich weiss auch nicht, was besser ist. jedoch mag ich 'der nette ausländer von nebenan'-filme nicht und gute, unprätentiöse filme zu diesem sujet habe ich sehr selten gesehen.
ans schuften am deich habe ich gar nicht gedacht. eher daran, dass vermutlich auch der eine oder andere laden von immigranten abgesoffen sein wird. was die normalität betrifft: wenn es denn normal ist, dass im nicht-einwanderungsland deutschland einwanderer leben, dann müssten die schwenks über die vernichtungen und die random interviews mit den betroffenen, dachte ich, auch den einen oder anderen menschen vor die kameras bringen, der etwas anderes als sächsisch spricht. normalerweise, dachte ich.
so viele
Einwanderer sind im Osten gar nicht, wie die Neon-azis glauben machen wollen. Hier zum Beispiel im Rhein-Main-Gebiet leben offiziell ca. 35 % Einwanderer auf 65 % Urbevölkerung. Wenn man auf die Straße guckt, fragt man sich wer die Statistik macht, oder wieviele eigentlich "sanspapier" hier leben. Nochmal sehr viele. Hier gibt es eben mehr wirtschaftliche Gründe, herzukommen. Im Osten soll ja schon nicht mehr viel Urbevölkerung leben hört man, viele gehen dort weg, auch aus wirtschaftlichen Gründen.
ich sah
das folgende: ein ehepaar, das eine pizzeria betreibt, und der mann war arabischer / türkischer herkunft. pizzeria futsch, haus futsch. dass der mann einwanderer war, wurde nicht sonders thematisiert. also eigentlich ein bericht, so wie du ihn evtl. erwartet hast. gabs also.
außerdeme vermutung: die betroffenen landstriche haben nicht gerade eine anteilig hohe immigrantenquote.
Zahlen von 1999
hier Sachsen 2,35% (wovon die wenigsten auf dem flachen Land wohnen werden, denn Leipzig hat wohl 5%)
ich glaube die zahlen sind garnicht so relevant. praschl hat schon recht, dass es auffällig wenige einwanderer sind, die im fernsehen, im zusammenhang mit den überschwemmungen auftauchen. und er hat wohl recht mit der vermutung, dass es gründe jenseits der statistik gibt.
wieso hätte jemand "wohl recht" mit der vermutung, dass es gründe "jenseits der statistik gibt", aus denen kaum migranten in berichten sichtbar sind, wenn die statistik sagt, dass es in den berichtsgebieten kaum migranten gibt? das leuchtet mir nicht ein.
zugegeben gibt es in sachsen kaum einwanderer. aber in bayern sieht die sache anders aus. bei den hochwasserberichten aus dieser ecke, kann ich mich auch nicht an 'einwandererbilder' erinnern. jedoch ist das hochwasser dort ist ein wenig länger her und die bilder überlappen sich schnell in der erinnerung.
woran ich auch denken musste waren die typischen werkstoraufnahmen, bei massenentlassungen in der industrie. dort dachte ich häufig, dass einwanderer bei o-tönen unterrepräsentiert sind. dabei stellen sie gerade bei den abzubauenden, niedrigqualifizierten stellen oft einen hohen anteil. vielleicht erklärt das, was ich meinte.
Ich sah einen Bericht im BR über die Überschwemmung in Passau. Da wurde auch über zerstörte Restaurants und Geschäfte berichtet, da waren auch welche dabei, die Immigranten gehören. Das wurde aber nicht besonders herausgestellt. Es waren Katastrophenbilder wie alle anderen auch.
es war eine vermutung. die vermutung entstand gestern nachts, nachdem ich zuerst eine dokumentation des NDR über die rostocker asylantenvertreibung vor zehn jahren und danach noch einmal die spätnachrichten gesehen habe. in denen mir dann zum erstenmal auffiel usw., siehe oben im text. dazu kommt: die allgegenwärtige beschwörung der nationalen notgemeinschaft gerade, bis hin zum slogan "deutsche helfen deutschen".
hypothesen sind dazu da, an der realität überprüft zu werden. ich habe kein problem damit, wenn die realität nicht so dunkel ist, wie ich vermute...
Ne, nee
die Frage war ok, wäre doch interessant, einen Beitrag speziell zur Situation der Immigranten zu machen, denn auch Grimma hat ein Asylbewerberheim, sacht jedenfalls Google für 2000, und von Immigranten betriebene Gaststätten.
entschuldigung,
diese volkstumsstatistiken zählen "ausländer", nicht "migranten", und sind als solche zunehmend (infolge einbürgerungen) nur noch für das wahlamt von aussagewert. zu den statistisch erfassbaren ausländern zählen z.b. auch die österreicher, die in einem fernsehhochwasserbericht aus z.b. passau aber kaum als "migranten" vorkämen, jedenfalls mir nicht. ich bin aber fernsehlos und vermute der güte halber einmal, dass evtl. beobachtbare migrantenarmut im hochwasserfernsehen v.a. darauf zurückzuführen ist, dass unter den bevorzugten o-ton-lieferanten, laden- und hausbesitzern in teureren innenstadtlagen in flussnähe nämlich, unterdurchschnittlich viele migranten sind.
stimmt, tompaul & mv
bei o-tönen zu krisensituationen allgemein sind migranten, wenn ich mich an meine fernsehbesitzende zeit erinnere (die vor einem halben jahr endete), wohl unterrepräsentiert, auch wenn sie statistisch überrepräsentiert sind. ich nehme mal an, der durchschnittsfernsehjournalist glaubt, durchschnittsmigrant würde unterdurchschnittlich deutsch sprechen und wäre daher für ruckzuckwortspende ungeeignet. mit der statistik hast du natürlich recht, mv. das mit den innenstadtlagen glaub ich weniger. was ich so im fernsehen (vorige woche) gesehen hab, wurden vorwiegend besitzer kleiner läden & lädchen interviewt, die keineswegs dem bild "teurer/exklusiver innenstadtladen" entsprachen. mir schien die interviewabsicht vorwiegend in richtung "leute wie du und ich" zu gehen, also interviews mit angestellten, alten leuten, vielen frauen - mitleidserregern halt, wozu der exklusive juwelier am stadtplatz 1 ja nicht unbedingt gehört.
mitleidserreger:
gut, dass wir fernsehlosen uns dagegen nicht impfen lassen müssen.
"wir" klingt so seltsam amerikanisch und keiner merkt es.
Us, the nation. Vielleicht war es schon immer so aber wir haben uns nicht getraut, es zu zulassen. Auf einmal ist das Wir-Gefühl da. Deutschlandfähnchen auf Ruinen. Wie WTC.
WIR als eine der reichsten Nationen der Erde werden schon fertig mit alledem, zusammenstehen! eins werden! WIR! Hemdsärmelig kravattenlose Ministerpräsidenten, Kanzler im BGS-Regenmantel, Kandidaten in zu grossen (und offenkundig niegelnagelneuen) Luxus-Seglergummistiefeln.
Bin gespannt, wann sich die ersten Mythen spinnen, wann der Ruck kommt, der durch Deutschland gehen soll.
ich glaube ja, diesbezüglich muss in deutschland nun wirklich keiner an die USA denken, da gibt es schon genügend wir-gefühls-modelle in der eigenen geschichte. und der ruck ruckt auch schon, ich glaube, in der hamburger mopo hab ich erst gestern einen artikel gelesen, der über die junge generation schwärmt, über die sich nun herausstellt, dass sie ganz zu unrecht als spassgeneration verachtet wurde. wir trümmer-kids sozusagen. muss einen aber nicht allzu überraschen, versteht sich von selbst, dass die nation sich jeden anlass krallt, um sich selbst zu feiern.
Nervöse Kokser blicken manisch um sich... "Wir sind doch eigentlich gar nicht so kaputt, wie wir selbst immer sagen!" - "Ja. Wir funktionieren noch! hhhhhhhhhhhhhhhhhhhh!"
Aber es funktioniert eben nicht. Dieses Wir-Gefühl gibt es nicht. Vielleicht bei den Betroffenen selbst. Aber die haben besseres zu tun, als über Wir-Gefühle zu philosophieren.
das wir-Gefühl gibts schon. Beim Sandsackfüllen habe ich auch afrikanische Studenten getroffen. Auf der Kohlenstraße haben aber auch jede Menge Glatzen mitgeholfen, erzählte eine Kollegin.
gekauft: "Dieses Wir-Gefühl gibt es nicht." Das hatte mir noch gefehlt gerade eben. Es gibt es nicht wirklich, es wird stilisiert und medialisiert. Die gemeinsam im Elbewasser stehenden haben es für kurze Momente, an denen ihnen das Kreuz nicht schmerzt vom Sandsackheben. Aber wir Fernsehkucker haben es nicht, die Fernsehkameraoperatuere haben es nicht und Bednarz & Konsorten erst recht nicht. Ich warte noch, bis Stoiber sagt "WIR MÜSSEN ZUSAMMENHALTEN" und seine Spindoctors uns erklären, was er damit gemeint haben will.
Bitte um Einhalt
Auch wenn es bisher nur ein Tag war, den ich da im Schlamm zugebracht habe, aber ich würde gern trennen zwischen denen, die gewollt oder ungewollt instrumentalisieren, und denen, die das Gefühl mitten im Moder erleben. Es mag vielleicht auch viel Illusion dabei sein, aber Mitmenschlichkeit ist vorhanden in Größenordnungen, die man nicht für möglich gehalten hätte. Auch nationale Verbundenheit, vor der man sich nicht fürchten muß (MDR Forum), sollte einfach mal zur Kenntnis genommen und als gut befunden werden.
ja klar, glaube ich sofort, sieht man ja auch, sogar durch die medialen filter hindurch. was man aber auch sieht und zur kenntnis nimmt und dann nicht als gut befindet, sind dann, neben den gefühlen mitten im moder, die einen oder anderen sehr modrigen gefühle. ist aber auch immer so & nix überraschendes, wenigstens für mich nicht. die gefühle wollen kanalisiert werden, und man versucht noch die einfachste mitgefühl-flut in bestimmte ströme zu leiten...
Aus meiner Sicht hält sich die politische Instrumentalisierung der Katastrophe bisher in Grenzen. Ich hoffe, das bleibt auch so.
eigentlich
wollte ich schreiben: Könnte es nicht vielleicht sein, dass das alles ganz harmlos ist? War nicht Solidarität mal die Zärtlichkeit der Völker? Kann es nicht wirs geben, die harmlos sind, bei denen jeder Mitglied werden kann? Und diese Kriegsmetaphorik ("Es ist wie im Krieg'') ist natürlich etwas unsympathisch, aber könnte ja auch erstmal harmlos gelesen werden ("Es sieht aus wie auf diesen Fernsehbildern aus Gegenden, wo Krieg herrscht.'')
Aber dann ist mir eingefallen, dass ich das wohl nur sagen kann, weil ich kein (deutsches) Fernsehn bekomme und auch nur sehr sporadisch deutsche Zeitungen. Und was Artikel wie dieser hier zusammenfassen, klingt schon ein wenig bescheuert. Aber ich finde, man sollte erstmal eine Unschuldsvermutung gelten lassen. Bis die Tschechen für die Flut verantwortlich gemacht werden, oder sowas.
Nochwas: Interessant finde ich, dass bei wirklich jedem derartigen Ereignis (spektakuläre Verbrechen, Naturkatastrophen, Unfälle) von der Presse erstaunt das ausgebliebene Ableben des "Gemeinschaftsgefühls" konstatiert wird.
tschechen verantwortlich
bisschen merkwürdig ist es in diesem zusammenhang ja schon, dass der deutsche umweltminister sich nach tschechien einlädt, um vor ort in spolana zu checken, dass von dem überschwemmten chemiewerk keine gefahr für deutsche flüsse ausgeht, noch während die flutwelle gerade nach sachsen-anhalt hineinschwappt. ist auch bloss ein wahlkampftermin, da darf man die tschechen schon mal kujonieren, könnte man beschwichtigen. aber wegen des vom selben minister mitverantworteten elbeausbaggerns fragt derweil kaum einer.
apropos tschechen
meine stiefmutter erzählte, im österreichischen fernsehen hätte man einen zusammenhang zwischen besagtem tschechischen chemiewerk und tschechoslowakischen lieferungen von chemikalien an die usa im vietnamkrieg hergestellt. das hat mich erstaunt, weil ich von solchen lieferungen nicht wußte (und auch jetzt nicht weiß, ob das stimmt). was das allerdings mit der möglichen gefährdung irgendwelcher gebiete durch chemikalienaustritt im jahr 2002 zu tun haben soll, weiß der kuckuck. mein bitterer scherz, die sollten froh sein, dass die austro-waffenlieferungen an den iran (voest-tochter noricum) keine giftlager in oberöstereichischen überschwemmungsgebieten hinterlassen hätten, brachten stiefmütterlein übrigens gar fein zum lachen, was mein herz erfreute.
so zahlt's
der von der fpö bestellte programmdirektor den wiener dubcek-sympathisanten heim, glaubt man. abgefahren.
Das große Wir im Krieg gegen die Flut
Eine Untersuchung der deutschen Medienlandschaft im Zusammenhang mit der Berichterstattung zu den Überflutungen würde noch ganz andere Klopper zutage fördern. Zum Beispiel die hysterisch gesteigerte Kriegsmetaphorik, bei der sich ein eigenartiger Feedback-Effekt ergibt: die Medien reden von Zerstörungen wie im Krieg, die Betroffenen greifen es auf und verarbeiten in ihrem Schock alles als "Kriegserklärung" (wortwörtlich so) das wird dann ins Publikum hinausgedröhnt, und schon steht Deutschland mal wieder im Krieg, bei dem bekanntlich alle Opfer bringen müssen.
ja, das auch. zum beispiel gestern bei der maybritt ilgner, oder wie die dame heißt. "zerstörungen wie im krieg". als würden sie sich danach sehnen.
stiefmütterlein sagte auch: wie im krieg, alles zerstört. schaut wie im krieg aus. sollte man jetzt etwas unschuldig meinen, für bestimmte leute wäre eben krieg die metapher für völlige und schreckliche zerstörung? wäre das unschuldig? (stiefmütterlein ist über 60. maybritt ilgner wohl nicht.)
um herrn vogt zu zitieren: ach.com. ach.com, es ist doch ein unterschied, ob so eine politische talkmasterin mit mitte 30, deren einzige kriege die um den sendeplatz waren, so was im fernsehen sagt, und die leitartikler, die das gemeinschaftserlebnis und das nationale opfern beschwören, oder die werte frau stiefmama, das versteht sich doch von selbst. es gibt halt einen unterschied zwischen interesse und erfahrung.
aber.g
was weiß ich denn, welche unterschiede sich hier von selbst verstehen. daher auch die fragezeichen.
auf jeden fall schon einmal der unterschied zwischen öffentlichkeit und erfahrung... hoffe ich...
ohne die dauerdoenerversorgung beim sandsackschippen haetten uns schnell die kraefte verlassen. nur so am rande ein danke aus dresden.
klar war das freundlich gemeint: Pieschen ist DAS kommende Viertel in Dresden! Meine Freunde sind hingezogen und schwärmen dauernd, wie toll es ist und daß man da zu wohnen hat. Wenn mein Sandsack-Hexenschuß besser ist, geh ich mal gucken, wie es jetzt dort aussieht.