dass wieder irgendjemand herausgefunden und darüber geschrieben hat, dass irgendwas eine entsprechung im gehirn oder eine neurologische basis usw. usf. etc. pp. hat: wem sollte das eigentlich imponieren? wow, echt, im gehirn?






»Hirnforscher haben herausgefunden« ist mittlerweile genauso eine Legitimierungsmaschine wie vormals »amerikanische Forscher haben herausgefunden«.

Supper auch einmal die Meldung (sinngemäß): »Hirnforscher haben herausgefunden, dass die Sprache unser Erleben der Wirklichkeit bestimmt.« - Wow, echt? Gab's da nich'so Texte aus den Humanities, Sprachwissenschaften, vor bald gut 100 Jahren...? ;-)


Nur hatten die keine geilen Computergrafiken, um ihre Thesen empirisch zu stützen.


gestern (das war auch der anlass für meine verwunderung) gehört, dass "intersubjektivität schon in unserem gehirn angelegt" ist, vorgetragen mit dem pathos der entdeckung und der neuigkeit. selbst einer wie ich, der ein paar tausend seiten aus dem programm descartes-kant-hegel-etc. gelesen hat, denkt sich dabei nur: "ja eh, wo denn sonst, in der kniescheibe ja wohl nicht." ich weiß aber nie, ob die gehirnforschung diesen tunnelblick hat und tatsächlich glaubt, dass die bewusstseinsphilosophie diese dinger alle nicht gekannt hat, oder ob es nur die medialen nacherzähler sind, die das in irgendeine das publikum beeindruckende form gießen wollen.


vielleicht

braucht eine junge Wissenschaft sowas, so rumspielen mit Technik und dann muß man ja was schreiben. Mir tun die leid, auch so Versuche, mit roher Gewalt was rauszufinden.


Es scheint so, dass inzwischen jeder seine FMRI-Datenschleuder so quasi an der USB-Buchse des Powerbooks hängen hat, gleich neben dem Flachbrettscanner, und herumspielt, denken Sie nun bitte an ihr erstes Dreirad, Oma, Sex, tut es weh, wenn ich das mache.

Irgendwann wird man daran zurückdenken als die Zeit mit der bunten Hirnscan-Folklore.

Eine schöne Parallele sind all die Studien der Art "Die Variation bei der Orgasmusfähigkeit von Frauen zu 30 Prozent genetisch bedingt". Die gibt es offensichtlich auch nur, weil halt heute jeder irgendein Zwillingspanel hat.


Naja, klappern gehört zum Handwerk. Mit Gerhard Roth konnte ich immer was anfangen, weil der nicht nur Hirnforscher ist, sondern auch Philosophie studiert hat.


@Praschl: Guter Punkt letzteres, die medialitätstaugliche Zurichtung & Zuspitzung von (erstmal ja recht dürren & immer interpretationsbedürftigen) Forschungsdetails im Blick zu behalten.

Andererseits setzt genau daran natürlich die Skepsis an: Weitreichende Aussagen über menschliches Verhalten aus einzelnen Versuchsreihe herzuleiten scheint ähnlich überzogen, wie Welttheorien aus Werbegraphiktrends.

Nun gut, auch letzteres wird gemacht...

Good Read dazu: Vergesst den freien Willen. Über den eigentümlichen Reiz deterministischer Thesen. Von Petra Gehring.


über gehirnforschung würde ich mir nie urteile anmaßen, weil ich keine ahnung habe, sowohl vom forschungssstand als von der selbstverständigung und -auslegung der forscher, ich kann mir aber nicht vorstellen, dass das alles so trivial ist, wie es immer vermittelt wird. was ich mich bei der üblichen medialen vermittlung immer frage: wieso glauben die vermittler, das allgemeine publikum ließe sich davon beeindrucken, dass etwas "im gehirn stattfindet"? hat denn das allgemeine publikum je etwas anderes gedacht? jenseits der forschung/medizin/pharmakologie/neuronalchirurgie usw. ist das doch eine so erschütternd triviale botschaft, dass man ins grübeln gerät, ob uns da durch ständige wiederholung nicht auch ein subtext einmassiert werden soll. vielleicht, dass die "natural sciences" den kram schon erkunden werden und man deswegen auf die allotria der "geisteswissenschaften" getrost verzichten kann (glaubt ja sowieso keiner, dass "geisteswissenschaften" auch ihre peniblen regeln und prozeduren usw. haben).


Gehirn beherzt, Forschungsprojekt

Aaaber die Naturwissenschaft bettelt doch ums Veto der Geisteswissenschaft wie Psychopathen ums Aufdecken ihrer Morde!

Intersubjektivität ist -- was? Zwischenmenschlichkeit? Also eine Herzensangelegenheit?

Dann sollte man in einem Forschungsprojekt die Herzen und Gehirne von Menschen in verschiedenen Beziehungssituationen entfernen, und deren Gewicht vergleichen. (Das sind zehn, zwanzig Doktorarbeiten & als Projekt locker 300.000 Euro wert).



Slightly OT: In Gabriele Goettles tollem Buch Experten kommt ja eine Humangenetikerin vor (Silja Samerski), die folgendes sagt:

Ich denke, viele Leute wären überrascht zu erfahren, dass ein >GEN< nie entdeckt wurde, in keinem einzigen Labor der Welt. (...) Die eingängige Rede vom >genetischen Text< oder der >genetischen Information< täuscht vor, Genetiker könnten anhand einer DNA-Sequenz irgendwelche Aussagen über deren Auswirkungen machen. Inzwischen wird allerdings - mehr intern - eingeräumt, dass sich bei Vielzellern in der Regel nicht einmal vorhersagen lässt, welches Eiweiß auf der Grundlage dieser DNA-Sequenz synthetisiert wird, geschweige denn, wie sich eine Mutation (...) auswirken wird.

Da wüsst ich gern mehr drüber.