[wenn ich gelesen hätte, wäre das der text gewesen, denn ich gelesen hätte: Wilhelmine Flott, Müssen Parties so sein? Twen, Heft 4, Dezember 1959. kickt mich ja immer noch. ohnehin das genre partybeschreibungstexte. könnte man auch einmal sammeln und nachschauen, so eine art liebesgeschichten, vergesellschaftet. was sich zu tun beginnt, wenn es mehr ist als zwei, ein paar. und wie sich das unterscheidet, beispielsweise, von konzertbeschreibungstexten, politikveranstaltungsbeschreibungstexten, frontalentertainmentbeschreibungstexten. und wie das, zum beispiel, mit weblogs zusammenhängt, oder mit dem weblogs lesen.]

Ich habe überhaupt noch nicht beschrieben, wie bei uns so eine Party beginnt. Ich habe das einfach weggelassen, denn die Anfänge sind so schwer zu verfolgen. Weil wir meistens mittendrin sind. Weil nämlich einer mindestens, nämlich der jeweilige Gastgeber, schon einen Kognak zur Vorbereitung getrunken hat. Wir trinken nicht wenig. Wir sind über einundzwanzig. Wir unterliegen nicht mehr dem Jugendschutzgesetz. Wir sind vorgerückte Twens. Es kommt selten vor, daß wir, um Augenblicke der Gesellschaftsunfähigkeit zu überbrücken, Witze erzählen. Wir finden uns selber alle furchtbar komisch. Brigitte wiegt sich gerne in den Hüften. Sie sagt dann, sie fände sich so sexy. Es ist ihre Tour, es gehört dazu. Sie macht es nett. Wir lachen uns immer wieder schief.

Was wir nicht haben, sind Knutschecken. Was wir nicht mögen, sind gewisse Absonderungen. Ich meine, tiefe Gespräche - siehe Tipsy und Toni -, das muß sein. Wo soll man denn schließlich seinen tiefgefühlten Kummer loswerden, wenn nicht auf der Party? Aber wir sind immer ohne Knutschecken ausgekommen, und da ist gar kein Zwang dabei. Ich weiß nicht, wie der Soziologe über die moderne Form der Geselligkeit namens Party denkt. Sind da Knutschflecken im Wesen der Party enthalten oder nicht? Aber wenn sie es wären, wir haben sie noch nicht entbehrt. Step und Boogie auf dem Tisch, das haben wir schon gehabt, auch Brandflecken. Weltschmerz und jenen englischen Gast, der kein Wort sagte, sich langsam vollaufen ließ, im Sessel einschlief und gegen zwei Uhr, als Marianne und ich auf Zehenspitzen gehend aufräumten, um ihn nicht zu wecken, der also gegen zwei Uhr blinzelte und murmelte: Isn´t it a lovely party - dieses stille Wasser aus Britannien hatten wir auch schon. Auch Elfriede, die sonst einen Knoten trägt und der Prototyp des feinsinnigen deutschen Mädchens ist, haben wir häufig dabei, und schließen heimlich Wetten ab, um wieviel Uhr es soweit sein wird, daß sich Elfriede in einen Vamp der golden twenties verwandelt, ihr Haar läst und Charleston tanzt und mit erstaunlicher Gewandtheit Chansons von sich gibt.

Wir hatten jemand, der sagte fünf Stunden lang alle fünf Minuten, es ist alles grau-en-haft. Er hat uns alle Brote weggegessen, er war ein Werkstudent.

Unsere Party endet, wie sie begonnen hat, nämlich nur irgendwie. Und wenn ich es mir recht überlege, einen wirklichen, tödliche Partykiller haben wir nie gehabt. Das mit den Brandflecken war nicht so schlimm. Heute gehören die Brandflecken auf dem Couchtisch zur Geschichte. Rührend, wie alles, was schon vorbei ist...

Nur einmal, da brachte Klaus-Martin einen mit. Der sagte, Kinder, wir wollen wieder zu echten Kindern werden, laßt uns sinnvoll spielen, laßt uns ein altes Volkslied mimisch darstellen. Er hieß Egon, glaube ich. Sicher weiß ich, daß er gegen neun Uhr wegen Kopfschmerzen verschwand. Gerede brauchen wir nicht. Keine Experten für feine Freizeitgestaltung. Keine Effekte. Keine geistvollen Ambitionen. Und keinen Schmus. Weder noch. Niemand kommt als jemand. Vielmehr: Jeder kommt selbst.






sehr schöne idee ,habe mich gut unterhalten und etwas über mich selbst gelacht ,da ich dachte : dem herrn praschel seine party ist bestimmt viel kultureller als bei unseren wohnzimmerparties immer.


blogs sind parties ...

... hier laut common sense, hier mit bezug auf luhmann/foucault.


totschlag luhmann

was hat der denn da zu suchen?


oh danke für den link, sehr schön. über luhmann weiß ich leider fast nichts, hin und wieder versucht, immer gescheitert, zu widerständig noch. irgendwannnn aber.


Vielen Dank auch. Habe über verflossene Parties nachgedacht und etwas gefunden. Ich habe mich im blog, das wo mein Eigentum ist, geoutet und bin jetzt richtig erleichtert.