[wir sind lockvögel, baby!] [gestern während der heimfahrt nach hamburg noch darüber nachgedacht, warum ich mich über den nobelpreis für elfriede jelinek so gefreut habe & ja immer noch & gedacht, dass das, peinlich möglicherweise, gar nichts mit ihren texten zu tun hat, von denen ich manche sehr mochte, andere nicht, sondern mit einer vorstellung, die ich seit langem von ihr habe. eine vorstellung aus der ferne natürlich, ich kenne sie ja nicht, überhaupt nicht, außer dass ich mit 17 einmal mit ihr korrespondiert habe, ob wir einen text von ihr in dieser winzigen literaturzeitschrift drucken dürften, die wir damals machten, eine langeweilebekämpfungszeitschrift, während man noch ausharren musste, bis man endlich die matura hinter sich gebracht hatte und abhauen durfte, & sie gleich zurück schrieb, ja gerne & viel glück oder sonst eine herzlichkeit, die einem mit 17 gleich so viel mehr bedeutete als sie das hätte ahnen können. ich kenne sie also nicht & habe eben nur eine vorstellung von ihr, die ich mir deswegen nur zusammengestümpert habe, wie man das eben so tut mit angeblich öffentlichen personen. warum ich mich also immer noch so freue über den nobelpreis für sie, ist die vorstellung, dass sie eine tapfere person ist, dachte ich, genau in dieser pathetischen wendung, im nachtzug nach hamburg. sagt sie ja selbst, dass es schwer ist für sie, so viele menschen & die aufläufe & man hat ja immer wieder auch geschichten gehört darüber, wie schwer ihr das fiele. & dann aber immer wieder, jedenfalls aus der ferne, ich war ja schon nicht mehr in wien, stand sie da, auf dem stephansplatz & dem heldenplatz & wo auch immer & sagte, was zu sagen gewesen ist, in dieser infamen waldheim-zeit und in der infamen haider-zeit. es waren ja nicht nur ihre texte, wenn ich das richtig in erinnerung habe, sondern manchmal auch nachrichtenclips in der 3sat-kulturzeit oder irgendwelche interviews in irgendwelchen sendungen über diese bestürzend widerwärtige regierung. dieses bild eben, wie sie da sprach, ohne dass ich mich daran erinnern könnte, was nun genau sie sagte, jedenfalls in diesem jelinek-singsang, in dem sie wohl immer spricht & der mir sowieso immer so richtig vorgekommen ist, eine andere weise als dieses appellieren und besorgtsein und bedeuten, das sonst oppositionsintellektuelle so oft haben, diese andere weise zu reden, die einem immer angenehm gewesen ist und richtig erschien & vor allem tapfer. wahrscheinlich ist das schwer zu erklären in deutschland, das gibt es hier ja eher nicht, dass plötzlich auf der straße plakate einer in der nationalversammlung vertretenen partei hängen, mit deinem namen darauf, ja sicher ist das auch eine auszeichnung und eine ehre, aber vermutlich ist es vor allem eine einschüchterung. stellen Sie sich doch vor, im nächsten bundestagswahlkampf würde die csu münchen mit plakaten bekleben, auf denen etwas ähnliches wie wollen Sie sven regener, thomas meinecke, rainald goetz ... oder kunst und kultur? stünde, nur als hinkendes beispiel jetzt, und man wäre einer von denen und stünde auf wie jeden morgen und plötzlich hingen solche plakate in der stadt, und in der bildzeitung gäbe es immerzu wieder an prominenten plätzen irgendwelche kolumnen, die sich über sven regener, thomas meinecke oder rainald goetz ausließen, & man wäre eben einer von denen & vielleicht auch nicht gebaut, solche vernichtungswunsch-infamien einfach wegzustecken & jedenfalls ich würde vermutlich eher ans abhauen denken oder jedenfalls entsetzliche angst haben, kann man ja nie wissen, ob einem nicht so ein aufgehetzter mob ins gesicht schlägt & dieser hass gegen sie, den man ja auch als fremder noch in 1500 kilometer entfernung wahrnehmen konnte & jedenfalls ich kann mir nur vorstellen, dass man das oft nur schwer aushalten kann, vielleicht irgendwelche spacken mit fighter-glorifizierungs-attitude, aber eine, die so redet und schreibt wie jelinek wird das vermutlich nur schwer ertragen, das konnte man ja immer aus ihren texten lesen, dass sie eine sein muss, der es nicht leicht fällt, von so etwas nicht verstört zu werden. und dennoch, jedenfalls in meiner wahrnehmung aus der ferne, stand sie, jedes mal, wenn man sich wünschte, dass diese infamien nicht so bequem davon kämen, auf einer bühne vor einem mikrophon, sagend, was zu sagen war, so, dass man es nicht missverstehen konnte, in diesem nicht-macht-tonfall, mit diesem nicht-macht-körper, dieser nicht-macht-frisur, in diesen nicht-macht-kleidern. denn das war in meiner vorstellung auch immer wichtig: dieses nicht-nach-macht-aussehen der jelinek, andere bewegungen, gesten, körperströme als die macht- und gegenmacht-redner. & steht da & redet. eine tapfere person, immer. so ähnlich jedenfalls in meiner vorstellung von ihr.]






Das ist ja das komische, dass ich immer das Gefühl hatte, dass die Jelinek genau wußte, was sie tut. Das ist nicht das verschreckte warten, verarbeiten, umsetzen, sondern die direkte Reaktion, wie nach dieser Geschichte mit den Wahlplakaten, wo sie diese "Haider-Rede" geschrieben hat und direkt auf der Strasse aufgeführt hat. Die Aufführung von dem Stück mit dem Bau des Staudamms, dass sie unwahrscheinlich genau recherchiert haben muss, wo sie genau die den Kern treffen wollte, und getroffen hat, wo die Linie so genau gezogen war, zwischen dem öffentlich gelebten Faschismus der 40er und dem verdrängtem der 50er Jahre, der sich gesagt hat, dass man ja nun nichts machen kann, also bauen wir halt fertig. Das ist eine Verarbeitung, die in Deutschland nie stattgefunden hat, weil da ja immer der Osten, die armen Menschen da darüben, als Puffer war. Und jetzt hat sie Angst, dass all das zerstört wird, weil diese Welt-Auszeichnung über ihren Werk hängt und all die Vereinahmer kommen, die aus ihr eine der "ihren" machen wollen. Ausgerechnet. Ich würde weglaufen. Bleiben ist so schwer. Aber vermutlich wird sie das, oder hoffentlich wird sie das, weil wir die Jelinek brauchen, genau so wie ist. Gerade hier in Deutschland. Wir haben ja nur Kracht und diese Leute, die das neue Deutschland suchen.


bis jetzt sehe ich eigentlich kaum "vereinnahmer". der bundeskanzler schuf am flug nach hanoi eine stilblüte, oder liess sie sich von volltrunkenen begleitern schaffen, der nationalratspräsident behauptete, eh immer shcon ein fan gewesen zu sein, dann war da noch der schwindelige welt-typ mit seinem österreichische-literatur-geschwafel, und der bundespräsident mit auch sowas mit ehre für österreichische literatur. aber "vereinnahmung" scheint mir da zu hoch gegriffen. das wäre dann, wenn die ersten jelinek-schokoladehasen auftauchen, wenn die ersten jelinek-zitate in eröffnungsreden vorkommen, wenn die ersten "wir nobelpreisträger"-t-shirts oder krawatten in rot-weiss-rot gedruckt werden. aber die gefahr sehe ich, ehrlich gesagt, nicht. das geht mit jelinek einfach nicht, weil sie ist, wer sie ist. ausserdem glaube ich auch nicht, dass die festivalreden-vereinnahmung so wahnsinnig eilfertig einsetzen wird, denn die typen, die so reden halten, stehen sowas von überhaupt nicht auf jelinek und wissen eh, dass die dame im zweifelsfall nicht schweigt, sondern sich wehrt.

mir sind ja derzeit eher die vereinnahmungsgefahr-heraufbeschwörer suspekt (vgl. menasse, robert). hat man das gefühl, die vereinnahmungsgefahr-anprangerung dient deren eigenen politischen oder anderen zwecken, die mit jelinek auch nichts zu tun haben. die vereinnahmungsgefahr-anprangerungs-vereinnahmung.

das mit der mangelnden verarbeitung in deutschland verstehe ich nicht, übrigens.


Möchte noch hinzufügen: Die Krachts sind, im Gegensatz zu Elfriede Jelinek, politisch vollkommen irrelevant. Offensive Irrelevanz ist ja deren Programm.


btw: ob die heutige leserbriefseite der krone wohl ganz alleine catos werk ist? unglaublich.


Sie trauen sich nicht mehr selbst. Also muss "vox populi" ran.


meine güte, frau g., ihretwegen kaufe ich die k. tatsächlich noch. (sagte ich: kaufen?)


drohnen-zeitung fliegt tief.


bloss nicht kaufen die k. frau k.! das wollt ich nicht. gehn sie ins nächstbeste grindespresso oder ich les es auch vor oder so. die grundbausteine sind ja eh bekannt. nestbeschmutzerin, österreichbeschmutzerin, die sogenannte künstlerin etc blabla. wolf martin hat wohl auch mitgeschrieben.