Gerade läuft bei mir die neue Massive Attack. Sehr sehr groß. Hier könnte es Downloads geben; ich muss ja nicht.






jetzt bin ich aber wirklich gespannt. im schbecks war in der besprechung (leider nicht online) die rede von der langweiligsten platte aller zeiten, oder so. moment mal, ich such das zitat.

also: "Mit einer stoischen Dreistigkeit, wie man sie gerade noch The Prodigy durchgehen läßt, wiederholen sie ihre erprobte Formel bis zum Erbrechen, jeder Sound, Basslauf, Akkord: alles alte Scheiße. Kein guter Song, keine Spannung, von Emotionen ganz zu schweigen - das Ganze ein gewaltiges Nichts. Eine der langweiligsten Platten, die ich je gehört habe. Eine Beleidigung. Tobias Thomas."


beleidigt hat sie mich nicht, aber gelangweilt und enttäuscht. die freudig erwartete hypnotik der vergangenen platten hat sich nicht eingestellt.


also eher ein soft attack?


je nun. jemandem, der es zustande bringt, "erprobte formeln" und "bis zum erbrechen" zu schreiben, würde ich meine neugierde nicht anvertrauen. das mit den akkorden müsste er auch noch lernen, da gibt es ja nicht so viele, und wenn einmal ein neuer akkord bei seinen ohren vorbeikommt, soll er mich bitte verständigen, den würde ich auch gerne hören.

zum vorwurf selbst: ja, das sind die massive attack, die man schon kennt. nur ein wenig mehr sie selbst, als man sie schon kennt. sie machen dasselbe wie immer, aber sie machen es besser. und ja, es ist repetitiv, und tatsächlich, vielleicht gibt es auch "keine spannung" drin. was mich betrifft, habe ich aber spannung eh nicht gewollt, wenn ich spannung haben will, kauf ich mir eine sprungfeder. und ich höre auch fast nur repetitive musik, außer ich habe einen hassanfall und brauche eine stunde glamrockismus oder postpunk, aber das reicht dann auch schon, und nachher schäme ich mich dafür. waren massive attack jemals nicht stoisch, erprobte formel usw.?

die emotionen? doch doch, es gibt sie, in der paranoia-skala auf und ab, das ganze register. es ist aber ein feines register, das würde ich konzedieren. aber ich bin da vielleicht der falsche, das zu beurteilen, ich brauche nämlich auch keine gefühle von einer musik, ich fühle ja eh schon selbst genug.

kann sein, dass tobias thomas das aber vielleicht in drei monaten besser gefallen könnte als zum zeitpunkt seiner rezension. das ist eine erfahrung, die ich mit massive attack schon öfter gemacht habe. man hat sich lange gefreut, man hat sie endlich bekommen, man legt sie ungeduldig auf, und dann ist man enttäuscht, weil sie so sind wie sie immer gewesen sind, und in der erinnerung waren sie besser. und dann, beim fünften, sechsten, vielleicht zwanzigsten mal hören denkt man unerwarteterweise: wie gut das ist, wie richtig, wie an jeder einzelnen stelle richtig. diese erfahrung habe ich schon zweimal hinter mir. müsste man auch einmal darüber nachdenken: über musik, die beim oft hören wächst, und über musik, die beim oft hören ranzig wird. diesmal aber, bei der 100th window, dachte ich schon beim dritten stück, nach fünfzehn minuten: oh ja, das ist es, 2003 brauch ich mir keine cd mehr zulegen, ich hab sie schon. aber ich will nichts schönreden an seiner stelle. er mag sie nicht, ich mag sie sehr.


und ich mag sie mir jetzt gerne anhören.

danke für die antwort.


"fear" seems to be the pop word now.


"fear" is the real stuff, replacing "teenage angst".


yo! finally we can grow up, man!


Wegen den Kritiken: Einmal ist es so, wie schon gesagt, dass man so viel erwartet was garnicht erfüllt werden kann. Dann ist es natürlich auch noch so, dass Massive Attack einfach das Problem haben nicht nochmal eine so wichtige Platte wie "Blue Lines" machen zu können. Blue Lines war neu, fresh, noch etwas roh aber irgendwie perfekt. Die folgenden Platten waren meiner Meinung nach allesamt genauso gut. Aber einfach nicht so wichtig.


Nun ja, man muss den Musikanten nicht vorwerfen, dass sie schon in jungen Jahren perfekt gewesen sind (was immer das heißen könnte) und sich deswegen nicht mehr mit jedem Werk neu erfinden müssen, nicht wahr? Ich habe übrigens mittlerweile die zitierte Spex-Rezension nachgelesen: In den ersten drei Vierteln des Textes wird wirklich nur die gute alte Zeit (im "Poppercafe, in dem wir uns damals herumgetrieben haben") beschworen und wie toll damals die Blue Lines gewesen wären. Und dann, darin erschöpft sich das Besprechen auch schon, der oben zitierte Absatz. Oh güldne Jugend, wo bist du hin....


Genau da wird dann halt die wichtigkeit mit der klasse der Platte verwechselt. Ich meinte es ja auch nicht als Vorwurf, wie sie schon sagten, die frühe Perfektion kann man ihnen nicht vorwerfen. Aber genau darauf läuft es dann leider allzuoft hinaus...


jein. Kann man vielleicht doch vorwerfen. Vielleicht ist eine Komponente von gut' relevant'. Und man könnte hoffen, dass jemand, der mal relevant war, was auch immer das bedeutet, es wieder schafft, relevant zu sein. Musik zur Zeit, und so. Auch wenn unzeitgemäß sein möglicherweise zeitgemäß ist. Aber diese Diskussion ist so alt wie es zweite Platten gibt.


relevanz sucht man sich nicht selbst aus, das erledigt der weltgeist.


Jaja, die Spexler. Sollen nicht so tun, als ob sie 1991 Blue Lines gehört hätten. Die standen damals doch alle auf Indi-Jazz-Gegniedel.


Ne. Die jetzige Generation sass da noch in "Einführung in die Soziologie unter besonderer Berücksichtigung von Gender Studies" an der Uni, sagnwermal, Göttingen.


Ich kenne eine Dame, die einen Herren von der jetzigen Besatzung kennt. Der stand damals auf Alboth, Throbbing Gristle, Brötzmann und so Zeugs. Sie übrigens auch.


Throbbing Gristle? Das aber 10 Jahre zu spät.


it's never too late for throbbing gristles.


die jetzige Besatzung kann man natürlich in der Pfeife rauchen (bis auf eben jenen Herrn Thomas, übrigens), aber 1991 war klarerweise die frühe Hochzeit der Elektronik in der Spex. Bin jetzt zu faul nachzuschauen (wüsste auch nicht, wo), würde mich aber wundern, wenn Blue Lines damals nicht auf'm Cover war.

Ja, Niedergang der Spex. Früher Höhepunkt (des Niedergangs): Dietmar Dath.


kann mal jemand nachgucken, wo die blue lines in der spex-hitliste von 1991 steht? (ich habe die platte auch erst 1994 zu schaetzen gelernt und gekauft.)


In der Spex 02/91 (runterscrollen, leider nicht separat verlinkbar), ist Massive Attack auf dem Cover erwähnt worden. Neben den Charlatans. So daneben sind sie ja nun auch wieder nicht. Alternativen gibt es immer noch keine.


"Blue Lines" im Kritikerpoll für 1991: Platz 5. Leser: Platz 2. [Quelle]


Haha. Die Leser waren viel schlauer als die Kritiker, die natürlich zu cool waren, "Nevermind" auf Platz 1 zu setzen. Nur: Wer, zum Geier, ist "Son of Bazerk"?!? Ist völlig an mir vorbeigegangen. Nun gut, mir ist Musik ja eher wurscht, aber das sieht mir doch nach einer Tat des Praktikanten Indie Rock Pete aus.


son of bazerk? noch nie gehört. aber bazerk!bazerk!bazerk! klingt ziemlich today. es wäre zeit für einen grandson of bazerk. for spex.

bände über derartige listen spricht ja, dass der chili peppers "blood sugar sex magik" bei den kritikern gar icht vorkommt. bei den lesern immerhin auf 16. kein unerhebliches album, das.

dafür "danzig" auf dem cover. hehe.


meine lieblingsplatte von 91 war "blood sugar sex magic". uebrigens bei den lesern auf 16 und bei der redaktion nicht unter den ersten 50. mann, das war vor 12 jahren.


del, du hast gewonnen. du warst sekundenbruchteile schneller.


kris, nevermind (platz 3 bei den kritikern, platz 1 bei den lesern).

nachtrag zu "son of bazerk": da geht es mir übrigens wie bei "Throbbing Gristle": noch nie gehört. wenn mich jemand aufklären könnte wäre ich dankbar.


Throbbing Gristle waren sowas wie die englische Version der "Einstürzenden Neubauten", also brachiale Industrial/Elektronik-Sache.

Von wegen Massive Attack: Ein Jahr vorher (1990) hat das Spex-Cover genau so ausgesehen. Prust.


Son of Bazerk waren ein Public Enemy spin off, wenn ich mich recht erinnere. Hip Hop, das andere grosse Ding der Spex der frühen 90ern. Nein, auf die Spex dieser Zeit lasse ich nichts kommen. Früher war aber auch alles besser.


meiner erinnerung nach waren son of bazerk ziemlich harte hiphop-mucke mit banalen texten, direkt mit public enemy hatten die nix am hut, glaube ich.

witzig, dass die spex-nostalgie durchaus mit der musik-nostalgie korrespondiert.

dabei fällt mir ein, hat jemand schon den neuen terkessidis/holter-band gelesen?

terkessidis war mein lieblingsschreiber bei der spex.


was bitte war vor zehn jahren in der spex anders? ich finde die zeitschrift wirklich gut und schön mühsam, vor allem zu lesen. für viele medien und interessierte gelten die vorstellungen und besprechungen und überlegungen der schreiber nach wie vor als wichtigste hinweise. s gibt im deutschen raum wohl kein ernsteres magazin. gut, man hat sich dem "mainstream" angenähert, aber das mit durchaus guter begründung und zu recht: man will ja keine enklave werden, oder? also was haben terkessidis, dath und konsorten vor zehn jahren bazerkt, was heute nicht mehr geschieht. bzw.: wo findet es statt, wenn überhaupt? bzw.: was müsste geschehen, damit es wieder stattfinden kann? was war anders?


was war/ist anders? ganz persoenlich: mein musikgeschmack hat sich geaendert und wird nicht mehr in spex repraesentiert. im netz gibt es fuer mich geeignetere stellen, um musik zu finden, die mir was bedeutet. ausserdem bin ich aelter geworden und muss nicht mehr so obskures zeug hoeren, nur weil es diskurstauglich ist.


weiss nicht, ob das ein Fall von `sah früher grösser aus, weil Du kleiner warst' ist, aber die Texte von Diedrichsen et al fand ich anstrengend und anspornend. Jetzt, wo ich selbst seit Jahren etwas wissenschaftlich nicht vollkommen Unähnliches mache, kommen mir die jetzigen Texte häufig wie (schlechte) Proseminarsarbeiten vor. Ausserdem ist die Musik kacke über die sie schreiben.


Habe jetzt mehrmals versucht, diesen Satz aus einer "Review" zu begreifen: "100th Window ist wie eine Klassik-CD, die von einem Orchester in der Komplexität auf ein Kammerorchester kastriert wurde." Gelingt mir nicht. Sie läuft hier unkastriert.


Der Satz, den Sie hier zitieren, ist von einer so deprimierenden Dummheit, dass man ihn auch gar nicht verstehen kann. Wenn überhaupt, könnte man allerhöchstens eine Komposition in ihrer Komplexität kastrieren (wobei dann noch die Frage zu stellen wäre, ob Unkastriertes tatsächlich das Komplexere ist...), und nicht das Speichermedium. Aber das ist nicht das Schlimmste an diesem Satz. Das Schlimmste ist die ekelerregende Unkenntnis der Musikgeschichte; als ob die Werke für Kammerorchester historisch die weniger komplexen gewesen wären... Ausgerechnet. Was für ein Vollidiot, der das geschrieben hat. Er soll auf der Stelle tot umfallen.


Hier mit den Revolutionen die betreffende Überreichung des Befehls nicht zu rechnen, der, wie durch zwei grundlegende Platten massiven Attack verwirklicht, aufgestellt wurde: Blue Lines in 91 und Zwischenstock in 98. Man wird müssen sich von nun an an diesen Arbeits- und Abenteuerrhythmus bei massivem Attack gewöhnen: für jede Alben, die die musikalischen Codes durcheinanderbringen, muß man also mit einer fast logischen Folge rechnen, stur, eifrig. Somit, wenn man Schutz (94) als die gründliche Erforschung der jungfräulichen Erde, die durch Blue Lines aufgedeckt wurde dann betrachten könnte, 100t Uhr Window darstellt eine geisteskranke, Zwangsschlußfolgerung an den Zwischenstockerprobungen. Wenn man davon die eisige, entmenschlichte und fahle Umgebung wiederfindet, hat massives Attack dieses Mal gegraben das Packeis, das eines enthüllt, das Feldtiefe verblüfft. Die Platte scheint beweglos, aber es ist hier auf dem unterirdischen Relief, daß alles sich in einem fascinant Spiel auf den Schichten das immer verbreitetere Licht, die Temperaturen spielt. In Oberfläche fühlt man sich in bekanntem Territorium, das durch die Zwischenstockeisberge abgegrenzt wurde.

Les Inrockuptibles/babelfish

Ist das nicht eine unglaublich schöne Beschreibung? "Zwischenstockeisberge".... von euch werde ich heute nacht träumen. Stur, eifrig! Ich will dieses Jahr keine andere Rezession mehr lesen.


Die erwähnte, sehr ausführliche, Inrockuptibles-Besprechung liegt übrigens hier, wenn ich mal mehr Zeit habe, übersetze ich sie.


Reinhören werde ich sicher. Aber da steht, dass es in Richtung "Mezzanine" geht. Die war mir zu aseptisch und zu dunkel.

Korrektur: Horace Andy ist dabei. Kann gar nicht schlecht sein.


Ist das ein Kritikerexemplar, was Sie da haben, Herr Praschl? Die CD gibt es doch erst in ein paar Wochen (Monaten?), wenn ich mich recht erinnere. Aus der flashigen auf Mainframe-Console (bzw. DOS) gemachten Website geht noch nicht mal hervor, wann das Ding rauskommt. Oder ist "Day 35" der Countdown? Die letzte Massive Attack fand ich verdammt gut. Vor allem wegen Liz Fraser und dem Curesound. Live war Massive Attack immer eine Riesenenttäuschung, fand ich. Das ist eher Musik für in den eigenen vier Wänden.


ja, eine kritikerplatte. wenn ich mich richtig erinnere, soll sie am 12. februar ausgeliefert werden.


Eine nette Vorstellung der Platte: "Massives Schweben" hat der gute Christian Fuchs von fm4 empfunden. (da)


jene schbecks-besprechung ist jetzt übrigens online nachzulesen: here.

jetzt reichts aber: lets wait and hear.


also son käse habe ich ja schon lange nicht mehr gelesen. spex war ja schon immer pseudo-elitärer scheiß, aber dass die jetzt auch noch zu nostalgisierenden heulsusen geworden sind...

mein höreindruck.